Die besten Platten 2017: Die Top 5 von Sarah
27.12.2017 | Sarah Ebert
Umso überraschter bin ich, dass es bis auf einen Ausreißer tatsächlich nur deutschsprachige Bands in meine persönliche Top 5 geschafft haben. Dass dies nicht nur meinem Musikgeschmack, sondern eher der enormen Weiterentwicklung und Experimentierfreudigkeit deutschsprachiger Künstler geschuldet ist, hat bereits Julius in seiner Favoritenkolumne festgestellt. Da bleibt zu hoffen, dass sich die politische und gesellschaftliche Lage im neuen Jahr endlich beruhigt, wir musikalisch dennoch weitere Großtaten erwarten dürfen.
Platz 5: 8kids – „Denen die wir waren“
Während ich die richtungsweisende EP „Dämonen“ der Darmstädter schlichtweg verschlafen hatte, wurde ich glücklicherweise durch ihr Debütalbum „Denen die wir waren“ auf 8kids aufmerksam. Textlich und musikalisch droht die Band hier und da in die Pop-Sphären abzudriften, doch gepaart mit gewaltigem Gesang und Posthardcore-Sound verwandeln sie diese Emotionalität in ein atmosphärisch dichtes Gesamtwerk. Passend zur düsteren Jahreszeit läuft das Album gerade in den letzten Tagen wieder heiß bei mir und schafft es deshalb auch auf meinen persönlichen Platz 5 in diesem Jahr.
Platz 4: Kettcar – „Ich vs. Wir“
Das lange Warten hat sich bei Kettcar definitiv gelohnt. Nicht vielen Bands gelingt nach einer mehrjährigen Schaffenspause ein solch überzeugendes Comeback. Mit „Ich vs. Wir“ schaffen sie den Spagat zwischen einer musikalischen Weiterentwicklung hin zum anspruchsvollen und ausgeklügelten Indie-Pop, einer klaren politischen Haltung, dem Aufzeigen gesellschaftlicher Missstände und ermutigenden Hooklines, um ihre Hörerschaft im Wahnsinn dieser Tage nicht resignieren zu lassen. Die Hamburger treffen auf ihrem fünften Studioalbum durchweg den richtigen Ton und das genau zur richtigen Zeit.
Platz 3: The National – „Sleep Well Beast“
„Sleep Well Beast“ ist einfach nur herzzerreißend schön! Berningers Gesang lullt dich ein, klingt dabei jedoch so schwermütig und anmutig, dass er wohl eher für schlaflose oder besonders traumreiche Nächte sorgen könnte. Das vorhandene Klangrepertoire wird durch Bläser, Streicher, Klavier und Synthesizer bedacht erweitert und sorgt für ein harmonisches, nahezu perfektes Gesamtbild voller Tiefe und Detailverliebtheit. Zuweilen verträumt, dunkel und abgeschlagen, dann wieder erhaben, aufwühlend und treibend haben The National ein starkes Album veröffentlicht, das vor allem beim mehrmaligen Hören noch ungeahnte Kräfte entfaltet.
Platz 2: Love A – „Nichts ist neu“
Gehört eine Band erst einmal zu deinen absoluten Lieblingen und hat dir zahlreiche fantastische Live-Erlebnisse beschert, fällt es schwer neutral zu bleiben. Zur sagenhaften Vorfreude auf Neuveröffentlichungen gesellt sich dann auch immer eine leise Stimme der Furcht, dass die Herzensband es diesmal einfach nicht bringt. Doch auch die vierte Platte der Post-Punker überzeugt auf ganzer Linie. Genauso bissig, wütend und zynisch wie eh und je machen Love A ihrem Weltschmerz Luft und erschaffen dabei mitreißende und eingängige Songs, die von Jörkks messerscharfer Stimme und der musikalisch klaren Linie leben. Sie haben durch ihre Authentizität geschafft, worum etliche Bands sich vergeblich bemühen– einen ganz eigentümlichen und besonderen Sound mit garantiertem Wiedererkennungswert zu kreieren.
Platz 1: Fjørt – „Couleur“
Ich bin mir sicher, dass Fjørt dieser Tage häufig in Top-Rankings und Jahresrückblicken zu den Favoriten gehören werden. Die Ausnahme-Musiker haben sich mit jedem Release konsequent weiterentwickelt und mittlerweile so sehr an Fahrt aufgenommen, dass der Abstand zwischen ihnen und ansatzweise vergleichbaren Bands immer gewaltiger wird. Mit „Couleur“ verschieben sie nicht nur die Grenzen des Post-Hardcores, sondern setzen mit ungeheurer Sprengkraft völlig neue Maßstäbe – erneut! Dabei sind sie so aufwühlend, politisch, poetisch und virtuos, dass mir selbst beim repetitiven Hören noch der Atem stockt und ich eine lächerlich lange Aufzählung weiterer Adjektive vornehmen müsste, um der von Fjørt ausgehenden Faszination gerecht zu werden.
Sarah Ebert
Sarah lebt in Frankfurt und hat ihr Studium der Germanistik, Philosophie und den Erziehungswissenschaften gewidmet. Sie brennt für gute Musik aller Art, lässt sich aber wohl am ehesten zwischen Punk, Rock & Indie verorten.