Während ich letztes Jahr noch damit beendete, überhaupt keine Lust mehr auf laute Musik zu haben, welche mir von der Bühne entgegengeschrien wird, blickte ich durchaus sehr aufgeregt auf mein erstes Konzert in 2023. Dieses sollte sich im Werk 2 in Leipzig ereignen und auch der Name, welcher ganz oben auf dem Plakat stand, sollte kein sonderlich fremder sein, denn es spielten Fjørt aus der Kaiserstadt Aachen. Schon vorher stand mir etwas die Verwirrung im Gesicht, als ich irgendwann auf Social Media das „Ausverkauft“ Schild für die Veranstaltung gesehen habe. Ich ging davon aus, dass sich das Trio auf die große Bühne der Halle stellen wird und war sehr verwundert, dass sie es geschafft haben, dieses Konzert auszuverkaufen. Nun ja, als ich mich in der zugegeben auch nicht unbedingt kleinen Halle D wiederfand, war ich erst überrascht und dann irgendwie auch etwas erleichtert, dass die Kuschligkeit nicht fehlen wird.
ARXX
Recht schnell standen dann auch schon Arxx aus dem Vereinigten Königreich auf der Bühne, wahnsinnigst nervös, Angesicht zu Angesicht mit dem Mob an erwartungsfreudigen Menschen und sie waren ziemlich großartig. Sympathische Ansagen, viel Dank und dann stimmte auch noch die Musik, die sie immer wieder als Pop deklarierten, obwohl es dann eher in die Richtung Indie-Post-irgendwas ging. Also kein Pop, absolut nicht. Hier sollte erwähnt werden, dass sich Fjørt für die Tour vor allem darauf konzentriert haben, FLINTA* Artists einzuladen, egal ob sie musikalisch passen oder nicht, denn es geht hier nicht unbedingt darum, dass irgendwas musikalisch passen soll, sondern, dass diese Gruppe noch immer viel missachtet wird. Sehr viele Künstler (ja mit Absicht nicht gegendert) vergessen anscheinend immer wieder, dass auch Bands existieren, die nicht komplett aus Gruppen mit Testosteronüberschuss bestehen, löblich. Die Masse nimmt Arxx auf jeden Fall äußerst herzlich auf und ich kann David hier nur zustimmen, diese Band werden wir demnächst sicher noch mehr als einmal sehen und hören!
FJØRT
Als Fjørt die Bühne betreten, macht sich ein Gefühl der Euphorie breit und wer Shows des Trios kennt, weiß, dass sie keine halben Sachen machen. Die ersten Songs heißen „Schrot“, „Südwärts“ und „Anthrazit“ und direkt der erste reißt die Menschen aus ihrer gespannten Ruhephase. Ab hier schwillt es dann nicht mehr ab. Songs wie „Coleur“, „Windschief“, „Paroli“ oder „Valhalla“ scheppern nur so durch die Fabrikhallen des Werk 2 und treiben allen mit der schwingenden Düsternis ein breites Lächeln ins Gesicht. Die Leute johlen, jubeln, schreien und singen, Ähnliches zeichnet sich auf der Bühne. Überraschend sind die vielen Ansagen, Dankesreden und Worte der Vernunft, zumindest für mich, welcher bisher nur im „Coleur-Zyklus“ vor der Bühne stand. Aber auch die Präsenz sucht seinesgleichen. Kein Stillstand beim Trio, hin und her Gerenne, kurze Intermezzos mit dem Publikum, gegenseitiges Anschreien, zurück zum Mikro und wiederholen bis zum Ende. Zur Zugabe enden Fjørt mit „Sfspc“, „Lichterloh“ und natürlich „Lebewohl“. Beeindruckend ist auch die Aufteilung des Sets, trotz der teilweise starken Mischung der Alben wirkt alles abgepasst, als hätte man es mit Klemmbausteinen zu tun, die genau aufeinanderpassen, das mag wie eine Nichtigkeit klingen, ist jedoch mitnichten etwas, dass man missachten sollte. Das Highlight für mich ist ganz klar der Song „Coleur“, welcher erst in zurückgefahrener Ruhe angespielt wird und dann kurz darauf nach einer wirksamen Kunstpause in voller Kraft rausposaunt wird. Gänsehautmoment, den Tränen nahe, unglaublich schön!
Danach bleibt Freude, Ruhe, Liebe, Melancholie und ein ganz wichtiges Gefühl: Fjørt sind wieder da und diese Worte sind so mit das schönste, was ich an diesem Tag denken konnte. Retrospektiv war das hier ein gutes Konzert, ohne wirklich große überraschende Rutscher nach oben oder unten. Jedoch handelt es sich eben nicht um irgendeine Band aus sonst wo, sondern eben um Fjørt. Viele hatten die Band für beendet gehalten und haben sicher nicht mehr damit gerechnet, da demnächst mal wieder irgendwas zu hören, dass sie jedoch dann schneller wieder auf den Bühnen des Landes stehen als gedacht ist überwältigend und wunderschön. Ich schlafe auf jeden Fall mit einem Grinsen ein, denn solch eine Gänsehaut durchfährt einen nicht jeden Abend.
Bilder von Dave Mante / @ihr_gossenpoet