Sperling und „Zweifel“: Keine Eintagsfliegen
19.01.2021 | Steffen Schindler
Sperling beginnen ihr Debüt-Album programmatisch mit einem Song gegen die gleichförmige deutsche Poplandschaft. In „Eintagsfliege“ heißt es: „Bitte nicht weiterentwickeln, immer das Gleiche mit Gleichem verbinden“. Ein Vorwurf, den man Sperling selbst nicht machen kann. Auf „Zweifel“ treffen post-rockige Gitarrenwände auf Sprechgesang und Cello. Ein Crossover, das ungewöhnlich erscheint, aber absolut aufgeht.
Dabei tragen sie ihre Einflüsse offen zur Schau: Im Pressetext werden Fjørt, Heisskalt und Casper genamedroppt, der Flow erinnert an OK Kid und Kex Kuhl. Das sind nicht die schlechtesten Referenzpunkte, aber Sperling funktionieren auch jenseits von ihnen. Der Wechsel von brachialen und minimalistischen Parts erzeugt eine Atmosphäre, die das Album über die komplette Laufzeit trägt. So weit, so Post-Hardcore. Richtig interessant wird es, wenn das Cello einsetzt.
Inhaltlich geht es viel um Hoffnungslosigkeit, persönlich, zwischenmenschlich und gesellschaftlich. Und um ein Du, mit dem man der Verzweiflung entfliehen will. Aber ob das klappt? Diese titelgebenden „Zweifel“ haben schon die Vorbilder von Sperling besungen und deren Vorbilder auch. Dementsprechend abgegriffen wirken manche Bilder in den sehr dichten Texten: „Komm wir werden laut!“ ist die unverbindlichste Aufforderung zum Protest, die möglich ist. Und Unverbindlichkeit passt nicht zwischen so großartig erzählte persönliche Geschichten wie „Baumhaus“ und „Schlaflied“.
An den Songs hat die Band nach eigener Aussage lange gefeilt und diese Zeit kann man auch hören. „Zweifel“ weiß, was es ist. Nämlich ein überaus gelungenes Debüt, das den Grundstein dafür legt, dass Sperling ziemlich sicher keine Eintagsfliegen bleiben werden.
Wertung
Wer Heisskalt vermisst, wird sich über Sperlings sehr reifes Debütalbum freuen. Und gespannt sein auf das, was da noch kommt.
Wertung
Sperling erzählen über ihren Umgang mit Ängsten und Zweifeln, lassen aber trotz allem noch Platz für hoffnungsvolle Botschaften zwischen den Zeilen. Ein gelungenes Album mit Tiefgang.
Steffen Schindler
Steffen dankt Nirvana dafür, dass sie die Jugend auf dem Dorf erträglich gemacht haben. Seitdem ist er dem Klang der elektrischen Gitarre verfallen. Mittlerweile studiert er in Berlin Geschichte und Kulturwissenschaft.