Weniger Party, dafür musikalische Oberklasse – Itchy anders, aber stark auf „All We Know“
16.07.2017 | Ole Lange
Die erste Single „Nothing“ klingt noch sehr vertraut, hat man diesen typischen Itchy-Poopzkid-Sound mit der verspielten Gitarre. Auch die Melodie des Gesangs ähnelt noch stark den Vorgängern. Mit dem Refrain hat man dann wirklich den Throwback zu „Six“, der aber irgendwie anders klingt. Keine durchgehende Freiheit und Heiterkeit ist zu hören. Stattdessen ist die Stimmung etwas gedrückter. Es bleibt nicht aus, dass man sich verändert. So hat sich auch die Musik der drei Fast-Stuttgarter gewandelt und sicherlich auch deren Art. „Black“ ist zum Beispiel eine Demonstrationl für die neu gewonnene Härte des Sounds. Neben gewohnt tanzbaren Punkrock-Rhythmen hat man dennoch unfassbar schroffe Riffs, die verspielt gezielt sind. Auch der Text ist ziemlich kritisch und streckt seinen Mittelfinger sehr in die Richtung der heutigen Politk.
Politik ist vielfältig. Das Thema Freundschaft wird oftmals nicht so angesehen, ist aber auch sehr politisch verankert. Dass es aber darum geht, die Freundschaft zu genießen, vergessen viele. Nicht aber Itchy. Mit „The Sea“ dreht sich bei den Jungs alles um Freiheit und gemeinsame Zeit. Das ist aber nicht nur bei dem Song so. Das komplette Album dient der Symbolisierung von Freiheit, auf dem Langspieler sind keine Einschränkungen zu hören. Aus diesem Grund ist „All We Know“ auch unglaublich vielschichtig. Es gibt keinen Song, der mit einem anderen gleichzusetzen wäre, dennoch harmonieren alle Tracks miteinander. Man merkt schnell, dass das bei der Platte sofort funktioniert hat. „Danger!“ für seinen Teil ist dieser musikalische Spaß, den man kaum noch bei einer Band hört. Die gleiche Tanzlaune bekommt man auch bei „Stuck With The Devil“.
Im Gegensatz zu diesen beiden Songs wirkt das Album dennoch etwas dramatischer und ernster. Man vermisst den alten Fun-Punkrock aber nicht, da man ganz neue Seiten Itchys bestaunen kann. Nicht zu verachten sind zudem die Gedanken, welche sich die Band um manche Songs gemacht hat. „Fall Apart“ ist eine Zusammensetzung aus unglaublich vielen „Problemen“ der heutigen Welt. Belanglose Dinge, die einem zur Last fallen, sollte man vergessen und sich auf die wirklichen Krisen fokussieren – so ist in etwa der Tonus des Songs. Der Track dürfte wohl der kleine Geheimfavorit auf den Titel „Song des Albums“ haben. Durch die musikalisch erzeugte, sehr schöne, aber auch leicht melancholische Stimmung bekommt der Track einen griffigen Ton. Bei den schönen Liedern findet man auch „Before You Go“. Es ist das einzige Liebeslied der Platte, dahingehend auch das Ruhigste und vielleicht Entspannteste.
Der Unterschied von „All We Know“ zu anderen Platten ist vielleicht wirklich diese Leichtigkeit, mit der man das Album anhören kann. Man hat weder bei den härteren Songs wie „Keep It Real“, noch bei den seichteren wie „Day In Day Out“ das Gefühl, dass Itchy unbedingt so klingen wollen. Das macht die Platte besonders. Es gibt keinen Song, der aus dem Muster fällt. Das liegt daran, dass es bei diesem Langspieler kein Muster gibt. Itchy haben einfach geschrieben und gespielt. Mit den Jahren sind sie reifer und erwachsener geworden, zumindest was die Musik betrifft. Dass sie aber auch mehr Weltkenntnisse besitzen, hört man vor allem bei „The Last Of Us“, dem letzten Song. Dieser passt ans Ende wie kein Zweiter. Er klingt wie ein Abschied mit baldigem Wiedersehen. Und genau das will man hoffen, bei so einer starken Platte!
Wertung
Für mich haben Itchy ein Zauberwerk hingebrettert. Selten habe ich einem Album so zugehört wie diesem! Für mich spiegelt die Themenauswahl und die melodische Konstruktion des Albums wunderbar im Rahmen der Umbenennung. Itchy sind ernstzunehmen!
Wertung
Sich von „Poopzkid“ zu lösen, entpuppt sich als hörbaren Befreiungsschlag. „All we know“ lässt endgültig die starken Pop-Einschläge hinter sich, klingt stattdessen rauer und – ich muss das böse Wort sagen – erwachsener. Itchy haben sich nicht nur vorbildlich weiterentwickelt, sondern liefern mit abwechslungsreichem, starkem und kurzweiligen Songwriting das beste Album ihrer Bandgeschichte.
Ole Lange
Ole stammt aus der östlichsten Stadt Deutschlands und begeistert das Team mit seinen leichten Dialekt. Er schreibt fleissig Reviews von Hip-Hop bis Metalcore und hat hin und wieder ein Interview mit Bands.