Hollywood Undead und "Hotel Kalifornia": Vergangenheits(be/über)wältigung
14.09.2022 | Jannika Hoberg
Waren Hollywood Undead noch vor einem Jahr für teils sexistische oder irgendwie problematische Texte („I wanna see your booty rubbing against my dick“, „Charlie Scene has got a weenie that he loves to show“) bekannt, scheinen die Kalifornier ihre Vergangenheit auch im Zuge aktueller Diskussionen ordentlich überdacht zu haben. Denn „Hotel Kalifornia“ ist richtig politisch. Schon das Cover zielt auf Hoffnungslosigkeit ab, es wird sich weg bewegt von dem Glamour und Glitzer, für den Kalifornien bekannt ist und hinter die Fassade in all den Dreck und das Elend geschaut. Hollywood Undead zeigen sich ehrlich wütend über Missstände und das merkt man auch musikalisch. Aggressive und treibende Beats unter messerscharfen Rapparts wechseln sich ab mit den ohrwurmlastigen Melodien, die Hollywood Undead schon immer gut einbauen können.
Im Pressetext lässt sich erahnen, dass die Bandmitglieder vor und während der Bandanfangszeiten 2005 alle selber ziemlich stark mit Armut und schlechten Verhältnissen, besonders in der kalifornischen Drogenszene, zu kämpfen hatten und das jetzt in „Hotel Kalifornia“ verarbeiten wollen. Das Album arbeitet also gewissermaßen die Geschichte von Hollywood Undead auf - und das ohne den klassischen Glamour der „vom Tellerwäscher zum Millionär“-Geschichten hervorzuheben. Es wird sich eher auf eigene Erfahrungen berufen, um Missstände aufzuzeigen, denen die Bandmitglieder zwar entkommen konnten, die aber immer noch viel zu viele Menschen betreffen. Auch Textzeilen wie „You think I just got lucky, didn’t work for this shit“ lassen autobiografisch erahnen, welchen Kommentaren sich die Jungs gegenübersahen.
Auch wenn der Großteil der Texte deutlich erwachsener wirkt, als bisherige Produktionen - ganz verabschiedet von Passagen wie „Signed Charlie Scene on your girlfriend’s tits“ haben sie sich übrigens immer noch nicht.
Einer der bekanntesten Songs der Kalifornier ist sicherlich „Bullet“, der von einem Suizidversuch erzählt - die Single vom 2011er Album „American Tragedy“ hatte damals schon ernstere und erwachsenere Texte in die Diskografie von Hollywood Undead gebracht und am Thema Suizid und mentale Ungesundheit kommt man auch auf diesem Album nicht vorbei. So erzählt beispielsweise „Happy when I die“ von Zukunftsängsten und Armut, die in tiefe psychische Probleme treiben können.
Zwischen eher härteren, sehr raplastigen Songs finden sich auch immer wieder Stücke, die sehr zum Mitnicken einladen. So wirkt das Album trotz der ernsten Texte voller Weltschmerz und Sozialkritik, als wären einzelne Songs sogar für die ein oder andere Party geeignet. Hollywood Undead durchbrechen regelmäßig Songstrukturen, jonglieren mit Rap, Melodik und harten Gitarren und trotzdem wirkt das Album am Ende wie eine Einheit und nicht wie der Flickenteppich, der sich durch die verschiedenen Stile erwarten lassen würde.
Wertung
Wurde ich 2020 noch für meine (definitiv zu) positive Review zum Vorgängeralbum redaktionsintern belächelt, so kann ich diesem Album wirklich guten Gewissens eine gute Bewertung verpassen. Besonders "CHAOS" und "Ruin My Life" haben es mir angetan und die Ohrwürmer, Resultate der durchdachten Melodik, werden mich wieder Wochen begleiten. Hollywood Undead sind (zumindest ein Stück weit) erwachsen geworden.
Jannika Hoberg
Jannie begeistert von Punk über Metal bis hin zu Hardcore alles, ob aggressive Beats oder auch mal soft - auch außerhalb dieses Genrespektrums. Neben der Leidenschaft für Konzertfotografie ist Jannie mit verschiedenen Instrumenten für diverse Jamsessions zu haben. Zuhause ist dey auf Konzerten und Festivals, ansonsten studiert Jannie nebenbei noch Umweltingenieurwesen in Weimar.