Buchrezension: "Dreck und Glitzer"
01.11.2024 | Mark Schneider
Der Name Tex Brasket kam für mich im Jahr 2022 wirklich aus dem Nichts. Als Slime ihren neuen Sänger und die erste Single "Komm schon klar" vorstellten, wusste ich mit diesem Menschen wirklich gar nichts anzufangen. Woher auch? Berlin liegt für mich wortwörtlich am anderen Ende dieses Landes, und auch Slime waren mir zwar ganz grundsätzlich ein Begriff, doch als Fan konnte man mich nicht betiteln. Erst später, als ich mich in diese erste Single und das später folgende Album "Zwei" längst verliebt hatte, tauchte ich ein in die Youtube-Videos vom mit Akustikgitarre und Hund an einer Fußgängerbrücke eines Berliner S-Bahnhofs hockenden Tex Brasket, der seine Lieder mit so viel Leidenschaft hinausposaunt, dass ich keinen Menschen verstehen kann, der zu dieser Zeit den Blick zu Boden senkte und einfach vorbeiging. Und davon gab es einige, wie Tex im Buch selbst verrät.
"Dreck und Glitzer" behandelt nicht nur die Hintergründe und Gedanken zum Zustandekommen des Arrangements als neuer Sänger von Slime aus seiner Perspektive sowie aus der Sicht von den Bandkolleg*innen, die die Suche nach dem Nachfolger von Dirk "Diggen" Jora und die Begründung der Wahl von Tex Brasket schildern. Die Geschichte in diesem Buch fängt genau wie Tex' eigene Geschichte viel früher an, erzählt aus der Kindheit sowie davon, wie er zuerst in Berlin selbst und dort schließlich auf der Straße gelandet ist. Sie erzählt von Freundschaften, von Gewalt, aber auch von der Entstehung seiner Musik und damit verbunden von ganz viel Leidenschaft für die Sache. Diese Geschichte hat viele Seiten, sie handelt von Glaube, von Suchtproblematiken und dem damit verbundenen Rausch, und auch von Verlusten.
Tex Brasket und Christian Schlodder, die sich im Jahr 2017 kennenlernten, wechseln sich in den Kapiteln dieses Buchs mehr oder weniger ab. Sie skizzieren den Weg des Musikers aus verschiedenen Perspektiven, wobei Christian Schlodder eher sachlich beschreibend bleibt und Tex auch gerne mal die etwas derbere Wortwahl wählt, um die Zustände "da draußen" und die eigenen Ansichten entsprechend zu untermalen. "Dreck und Glitzer" erzählt dabei nicht nur ausgiebig aus Tex' Vergangenheit und den zum Zeitpunkt des Kennenlernens nicht absehbaren Verlauf der Geschichte eines Mannes, der an diesem Punkt in seinem Leben für Kleingeld zumeist auf einer Brücke saß und Musik machte. Es gibt zudem einen ganz grundsätzlichen Einblick in das Leben der Menschen, die ihre Zeit auf der Straße verbringen müssen oder manchmal auch bewusst wollen. Christian Schlodder lässt seine eigenen im Laufe der Zeit gemachten Erfahrungen mit verschiedenen Protagonisten aus Tex' Umfeld ebenfalls in dieses Buch einfließen. Wenn beide dann an verschiedenen Stellen der Geschichte von den gleichen Personen und Momenten erzählen, ergeben sich für die Leserschaft teilweise verschiedene Blickwinkel auf die jeweiligen Menschen und Situationen.
"Dreck und Glitzer: Eine Geschichte von der Straße und vom Licht an dunklen Orten". Der Buchtitel nimmt den Inhalt vorweg. Es geht hier nicht um Slime. Wer sich neue Erkenntnisse über die eigene Lieblingspunkband erhofft wird gnadenlos enttäuscht und lediglich der Prozess der Annäherung von Tex und der Band findet einen Platz im Buch. Stattdessen, und so soll es ja auch sein, wissen wir nach dem Lesen dieses Buchs immens viel über den Menschen, der heute als Sänger von Slime durch die Gegend tourt und hoffentlich noch eine ganze Weile an Bord bleiben wird. Wir erfahren Details aus den verschiedensten Phasen seines Lebens, sei es in Deutschland oder auch immer mal wieder in den vereinigten Staaten, sei es in Bayern, in Berlin oder heute in Westfalen: Tex Brasket geht sehr offen mit allen Phasen seines Lebens um und nimmt dabei kein Blatt vor den Mund.
Mark Schneider
Mark kommt aus der wunderschönen, ländlichen Provinz zwischen Siegen und Marburg an der Lahn. Ob kleine Acts im Club oder Musikgiganten vor Tausenden: Besucht wird, was laut ist und Spaß macht! Dabei sind im Genre (fast) keine Grenzen gesetzt.