Tagsüber angenehme zehn Grad und strahlender Sonnenschein in der Rheinstadt. Abends spielen Kettcar und Schrottgrenze im restlos ausverkauften Stahlwerk. Was sich im Januar nach einem sehnsüchtigen Traum nach Frühling anhört, wird am heutigen Sonntag für die Indie-Rock-Fans in NRW ein freudiger Anlass, um nach Düsseldorf zu pilgern um vorerst Abschied zu nehmen. Dass Kettcar mit der Ankündigung der letzten Tour inklusive Bläsertrio ein Livealbum mit eben diesem veröffentlichten, hat das Warten im Vorhinein nicht einfacher gemacht. Nicht nur das Stahlwerk ist seit langer Zeit ausverkauft, unter diesen Umständen kaum verwunderlich.
Schrottgrenze aus Hamburg begleiten Kettcar auf den ersten sechs Konzerten der Tour. Die Band um Sängerin Saskia Lavaux, bürgerlich Alexander Tsitsigias, spielt eingängigen Pop-Indierock und setzt sich in ihren Texten für die Queer-Kultur ein. Die Inhalte der Songs bewegen sich weg von Heteronormativität und setzen Statements für die Liebe, unabhängig von definierten Geschlechtern. Timo Sauer, Geburtstagskind Hauke Röh und Benni Thiel stoßen zusammen mit ihrer Sängerin mit der auffällig blonden Perücke und der schwarzen Wollmütze in Düsseldorf auf offene Ohren. Für ihre Statements für eine offene Gesellschaft und gegen Antisemitismus und Rassismus ernten die Vier lautstarken Applaus.
Kettcar eröffnen ihr Konzert mit dem ruhigen "Volle Distanz", nehmen aber schnell Fahrt auf. Bei "Benzin und Kartoffelchips" erfährt das Publikum erstmals die enorme Energie, welche sich aus einer Kombination aus Lautstärke, Bläsertrio und einer perfekt eingespielten Band ergibt. Passend dazu herrschen im Stahlwerk unnormal hohe Temperaturen. Zwischendurch gibt es ein paar lustige Anekdoten und hilfreiche Praxistipps für die Gäste. Sei es, dass man vor dem Schlafen gehen nach einer langen Partynacht lieber eine Schüssel als eine Plastiktüte mit ans Bett nimmt, oder wie es Kettcar in ihrem Proberaum unter einem Swingerclub ergeht. Kettcar bringen das Publikum mit ihrer Musik zum lautstarken Mitsingen und mit den Ansagen dazwischen zum Schmunzeln. Mit Hamburger Akzent klingt ja sowieso alles ungemein lustiger.
Visuell ist die Show mindestens genauso stark wie sie klingt. Während Kettcar mit "Der Tag wird kommen" zum Outing im Profisport aufrufen, untermauern riesige Leinwandstreifen hinter der Band den Song mit dem Musikvideo. Zum Titel "Trostbrücke Süd" fährt das Publikum im Bus mit durch die Hamburger Straßen. Zwischendurch sind Livebilder des Konzertes auf den Leinwänden zu sehen. Die Bläser verleihen dem Sound der Band mit jedem Einsatz das gewisse Etwas. Die Kombination klingt einfach großartig. Aber auch wenn Marcus Wiebusch nur mit Akustikgitarre und in Begleitung des Trompeters auf der Bühne steht, liegt ihm Düsseldorf absolut zu Füßen. Den Hamburgern ist der nicht endende Applaus nach dem Verstummen des vorerst letzten Tons in Düsseldorf fast unangenehm. Das Publikum spürt das und hört einfach nicht mit dem Applaudieren auf. Kettcar wirken davon wirklich gerührt, betiteln den Sonntag mit "ein Sonntag wie ein Freitag" und verabschieden sich nach über zwei Stunden Show auch von der zweiten Stadt auf der Tour. Da waren es nur noch sechs.