Auch wenn es sich um eine Momentaufnahme handeln könnte, finden unter anderem im Kölner Tanzbrunnen aktuell wieder einige "richtige" Konzerte statt. Kein Autokino, keine Livestreamsession, sondern echte Zuschauer, Auge in Auge mit dem Künstler. Thees Uhlmann hat mit seinem Grand Hotel van Cleef als einer der ersten diese behördlich genehmigte Möglichkeit am Schopf gepackt und eine kleine, aber besondere Tour auf die Beine gestellt. Anstatt mit der ganzen Band auf die Reise zu gehen, hat er nur seine beiden Freunde Rudi Maier und Simon Frontzek im Gepäck. Ebenfalls bereits seit der ersten Ankündigung klar: Neben Songs von Thees Uhlmann und Tomte darf man sich auch über den einen oder anderen Redebeitrag, sowie Vorlesungen aus Thees' Büchern freuen. Wie kommt dieses Konzept bei den Leuten an? Und wie machen sich die Auflagen zum Infektionsschutz vor Ort bemerkbar?
Der Tag in Köln könnte kaum sommerlicher sein. Die Temperaturen befinden sich weit über 30 Grad und das Gelände des Tanzbrunnens liegt direkt am Rhein, sodass man vor der Veranstaltung einen kurzen Abstecher an den Fluss mit Blick auf den Dom machen kann. Wer das Gelände betritt, muss einen Mund-Nasen-Schutz tragen und darf diesen nur auf dem fest zugewiesenen Sitzplatz abnehmen. Ansonsten unterscheidet sich die Veranstaltung bis auf eine strikte Trennung der Toiletten mit Einbahnstraßenregelung und größeren Abständen zwischen den Sitzreihen nur unwesentlich von einem "normalen" Open Air-Konzert mit Bestuhlung. Immer wieder werden die Gäste auf die geltenden Regelungen aufmerksam gemacht. Das Mitsingverbot ist wohl das größte Unterscheidungsmerkmal und fordert die Zuschauer über den Abend am allermeisten.
Thees Uhlmann und seine etwas kleiner ausfallende Band betreten die Bühne etwas verspätet, ganz unspektakulär und ohne Intro. Die Reihen sind zu diesem Zeitpunkt nahezu voll besetzt und die Getränkebuden verzeichnen wohl aufgrund der Temperaturen trotz stattlichen Preisen Rekordabsatz. Bevor Thees den Abend mit "Fünf Jahre nicht gesungen" eröffnet, entschuldigt er sich aufrichtig für die Verspätung. Woran diese genau lag, bleibt aber unbekannt. "Ich dachte ich fang später an, dann bin ich schneller wieder am Tresen" wird eher die nicht ernst gemeinte Variante der Ausreden sein.
Ab dem jetzigen Zeitpunkt wechseln sich gespielte Songs aus zwei der drei Soloalben ("#2" kommt nicht zum Zug) und verschiedene Geschichten aus unterschiedlichsten Lebenskapiteln des Thees Uhlmann ab. Da gibt es zum einen Geschichten, die erst wenige Stunden her sind: Thees erzählt davon, wie er und seine heutigen Bandmitglieder am Nachmittagsspaziergang am Rhein bierchentrinkend Kölner belauscht haben. Dass diese beiden Kölner eine Taube als Drohne des Merkel-Regimes deuteten, sorgt für einige Lacher im Publikum. Zum anderen sind es die "Klassiker" wie die Entstehungsgeschichte zu seinem Buch über die Toten Hosen, oder Anekdoten aus dem Tourleben mit Tomte. Passend dazu spielt er mit "Liebeslied" ein Cover der Toten Hosen und mit "Ich sang die ganze Zeit nur von dir" und "Die Schönheit der Chance" zwei seiner größten Hits mit Tomte. Spätestens bei den Tomte-Tracks beginnen einige der Gäste, die heute in nahezu jeder Altersstufe vor Ort sind, unruhig auf ihren Stühlen hin und her zu wippen, die Arme in die Luft zu werfen und gegen den inneren Drang des Mitsingens anzukämpfen.
Zwischen den Songs fühlen sich die Gäste heute wie auf einer - zugegebenermaßen ziemlich guten und verdammt witzigen - Comedyveranstaltung. Wer Thees und seine Art kennt, der weiß, dass es ihm nicht schwerfällt, Leute zum Lachen zu bringen und von sich zu begeistern. So erfährt Köln heute auch allerlei sinnfreie Informationen, wie dass Thees als Atomkraftwerkfan einen Teller mit AKW-Druck besitzt, den Typ aus der 1&1-Werbung ohne Ende hasst oder dass er mal 2000 Mark Vorschuss für ein Buch an zwei Wochenenden auf den Kopf gehauen hat. Nach der Geschichte über einen geschenkten Sticker mit der Aufschrift "Saufen ist mega geil" erklärt er diesen Slogan kurzerhand zum Motto des Abends und bezeichnet seinen Humor als "Humor für drei Leute im Publikum, aber die lachen richtig!" Zitat: "Ich hab mega einen an der Waffel, dass ich euch hier volllaber!"
Wie bereits angekündigt liest Thees dem Kölner Publikum auch etwas aus seinen Büchern vor. Entgegen der Tourankündigung liest er heute jedoch nicht aus dem Buch über die Toten Hosen, sondern Kapitel 32 aus "Sophia, der Tod und ich", seinem Roman über die Erlebnisse der Hauptperson mit dem Tod und seiner Ex-Freundin Sophia. Kapitel 32 ist die Sexszene im Buch, die er laut eigener Aussage auch einmal am zweiten Weihnachtsfeiertag in einer Kirche vorgelesen hat, während sich sein Bruder neben seiner Mutter sitzend zu Tode geschämt hat. Das heutige Publikum bringen einige der wirklich eigenartigen Formulierungen aber eher zum Lachen und Schmunzeln. Auch dass die Band den Song "48 Stunden" von Kettcar covert, kommt ziemlich gut an. Dass Thees Uhlmann und Kettcar, mit Sänger Marcus Wiebusch als Label-Kollegen beim GHvC, die gleiche Zielgruppe bedienen, merkt man daran, dass auch dieser Text im Publikum astrein sitzt und viele Gäste ihn leise vor sich hin singen und summen.
Unter dem Strich sind die Gäste heute vom Auftritt des Trios hellauf begeistert. Die Mischung aus mitsummen, genießen und tränenlachen scheint den Menschen, die sich der guten Stimmung nach allesamt auf Konzertentzug befinden, wirklich gut zu tun. Nach etwa zweieinhalb Stunden ununterbrochener Show beschließen Uhlmann, Maier und Frontzek mit dem Song "Ein Satellit sendet leise" den Abend, ernten den wohlverdienten und begeisterten Applaus und entlassen Köln in eine sommerlich warme Nacht.
"In Köln geht die Sonne unter, der Dom leuchtet und dann setz ich mein Kapodaster falsch. Ich find's genial wenn alles schief geht!" - Thees Uhlmann