Leipzig ist mittlerweile das Mekka der deutschen Hardcorecommunity und sämtlicher Subgenres wie beispielsweise Metalcore. Impericon, eigentlich ein Online-Retailer für Bandmerchandise und Streetwear, etabliert sich seit einigen Jahren auch als erfolgreicher Konzertveranstalter und vergrößert seine Festivalreihe jedes Jahr um weitere Locations. Dennoch ist in der heimlichen Hauptstadt Sachsens nach wie vor die größte Veranstaltung angesiedelt und mit der Messehalle 1 der Leipziger Messe seit letztem Jahr eine würdige Location gefunden. Großzügige Fläche für alle Besucher inklusive messeeigener, doppelten Tribünen sowie einem Außenbereich garantieren ein komfortables Festivalerlebnis.
Wer in den vollen Genuss des Tagesfestivals kommen wollte, musste bereits zur Knopperszeit an den Bändchenstationen sein Ticket eintauschen. Für meine Begleitung war es dann doch noch zu früh und so setze ich mich nach zur Kenntnisnahme der Nachricht „9 Uhr schaff ich nicht“ in die vollgepackte S-Bahn. Nach zügiger Akkreditierung konnte ich es dieses Jahr auch im Gegensatz zum Jahr davor zur ersten Band schaffen. Zum Glück meine ich ihm Nachhinein, denn mit Black Tooth Scares aus Leipzig startete das Festival mit einem für mich ersten Highlight. Mit ihrem unkompliziertem Genremix aus Rock und Metal groovten sich die ersten Besucher warm und insbesondere die Vocals und Gitarre konnten hier gut überzeugen.
Die australische Band Polaris haute so richtig in die Saiten und sorgte wenig später für erste Moshpits. Die früh aufgestandenen Metalcore-Freunde im Publikum gaben der den gesamten Tag über gut gelaunten Security dann auch einmal etwas zu tun und sorgten für die ersten Crowdsurf-Versuche über das noch kleine Publikumsmeer. Anschließend hieß es Showtime für Boston Manor kurz nach Zwölf auf der Monster Stage. Die Briten hatten scheinbar nicht viele auf dem Zettel, denn vor der Bühne war nun deutlich weniger los als bei Polaris. Ob es am Pop-Punk oder einfach nur der Mittagszeit lag?
Den wohl exotischsten Auftritt des Tages lieferte das Trio Rings of Saturn. Eine herrliche Truppe, die mit epischem Gitarrenspiel, einem absolut irrsinnigen Schlagzeuger und dauergrunzendem Frontmann eher für die nerdigeren Besucher vorgesehen war. Anschließend ging es dann ins populärere Lineup des Tages. Obey the Brave lieferten eine energiegeladene Show, welche das Publikum mit ersten Circle Pits und Wall of Deaths dankbar abfeierte. Bei Knocked Loose war es dann doch wieder etwas verhaltener, aber ab Attila war kein Halten mehr und die mittlerweile gut gefüllte Halle kam nicht mehr zur Ruhe. Wie sollte das auch gehen, wenn direkt danach Bands wie beispielsweise Lionheart oder Comeback Kid mit richtig viel Bock auf der Bühne alles gaben? Gerade bei der Erstgenannten dürften sich eine Menge Leute gefreut haben, dass die Auflösung 2016 nur von kurzer Dauer war. Ebenfalls aus der Pause zurück, war für viele Zuschauer bestimmt der Auftritt von Neaera ein absolutes Tageshighlight. Die Band gab immer wieder zum Ausdruck, wie toll es doch sei, auf diesem Festival zu spielen und generell wieder zurück auf der Bühne zu sein, auch wenn nach Aussage des Sängers wohl noch die Fitness fehlt. „Oh man, ich bin zu alt und fett geworden!“, sorgte für eine Menge grinsende Gesichter. Die Realität sah allerdings so aus, dass wohl kaum jemand auf die Physis achtete, denn der Großteil der Meute vor der Bühne gab sich den unzähligen Circle Pits hin.
Einem Absatz möchte ich gern dem „Drumherum“ des Festivals widmen. Die Wenigsten verausgabten sich die ganze Zeit vor der Bühne und so gab es neben den Bands auf den zwei Bühnen noch anderes zu entdecken. Die Organisatoren haben dabei das Konzept vom letzten Jahr übernommen und verbessert. Die Station für den spontanen Haarschnitt gab es wieder und auch Sponsoren wie Marshall oder Partner wie Sea Shepherd oder die Hardcore Help Foundation luden zum munteren Plausch und auch Schnickschnack wie eine Fotobox waren dabei. Im Außenbereich ließ es sich dieses Jahr sehr gut aushalten, weil zum einen das Wetter gut mitspielte und zum anderen mit einem größeren Pavillon und Bierbänken auch genug Gelegenheit zum Ausruhen parat standen. Ab dem Nachmittag gab es sogar draußen noch musikalische Unterhaltung. Teufel gastierten mit ihrem Truck in Leipzig und boten Metal-Karaoke an. Mutige konnten dann mit einer Liveband auf dem Dach des Trucks Evergreens aus Rock, Punk und Metal performen, was natürlich selten Qualitäten der Originale erreichte, aber das war ja auch gar nicht der Anspruch. Vor dem Truck feierten die Leute einfach die Songs ab und so gab vielleicht genau diese Komponente der Veranstaltung diesen fehlenden Festivalcharakter.
Zum Schlussspurt des Abends setzten dann Eskimo Callboy an und war da was los vor der Bühne. Die Band trifft nun überhaupt nicht meinen persönlichen Musikgeschmack, weshalb ich mir die Geschichte den größten Teil von der Tribüne angesehen hatte. Die Band lieferte eine gute Show ab und dem Publikum gefiel es sichtlich, hier wurde das ganze ABC eines Auftritts gut abgefrühstückt und die Lichtshow und Effekte waren ohne Tadel. Der Staffelstab wurde dann Boysetsfire überreicht, die ich nun endlich einmal live sehen durfte. Grandioser Auftritt einer wirklich sympathischen Band mit lauter Evergreens. Natürlich war das ein krasser Kontrast zur Band davor, aber ich denke, das war hier auch beabsichtigt, damit wirklich jeder auf seine Kosten kommt.
Bevor ich noch Worte zum Headliner verliere möchte ich kurz noch ein paar Gedanken zum Lineup loswerden. Beim Impericon Festival merkt man, dass hier echte Kenner der Szene unterwegs sind. Jedes Jahr gelingt es den Veranstaltern, ein ansprechendes Lineup auf die Bühne zu bringen und hier ist meckern wirklich auf hohem Niveau. Eine Band wie Anti-Flag im letzten Jahr hätte ich mir noch gewünscht, aber das ist ja nun ein rein persönliches Ding.
22:30 Uhr wurde es nun proppenvoll vor der Monster-Stage. Alle Festivalbesucher, bis auf diejenigen, die sich schlafend an den Rand der Messehalle gelegt hatten, versammelten sich vor der Bühne, um Heaven Shall Burn bei ihrem letzten Auftritt vor ihrer größeren Live-Pause die Ehre zu erweisen. Würden die Saalfelder noch einmal alles geben oder ist die Luft raus? Zum Glück für alle lief das knapp 90 Minütige Set gewaltig und energetisch ab und es wurde noch einmal eine Reise durch die Alben der Band unternommen. Die ersten Töne waren noch gar nicht gespielt, da kamen schon die ersten Crowdsurfer über den Bühnengraben. Natürlich feierte die Band ihre Evergreens ab und eine Wall of Death wechselte sich mit der nächsten ab, nur, um sich zwischendurch in Circle Pits umzuwandeln.
Berühmt-berüchtigt sind die Auftritte auf Wacken, wo die Band regelmäßig ihre eigenen Rekorde der größten Circle-Pits einstellten. Selbstverständlich durfte dies auch beim letzten Auftritt nicht fehlen und so gab es einen massenhaften Dauerlauf durch die Messehalle 1, den ich mir von der Tribüne mit ungläubigem Gesicht ansah. Für den Gänsehaut-Moment sorgte dann das allerletzte Lied des Abends. Mit ihrer wirklich wunderbaren Coverversion von „Valhalla“ von Blind Guardian beschlossen Heaven Shall Burn den Abend, aber nicht, ohne vorher noch einmal zu betonen, dass dies nicht das Ende der Band sei.