Die Tickets für diesen Abend habe ich bereits im Juni 2021 gekauft. Was damals noch unglaublich weit weg schien, näherte sich durch ein gefühlt viel zu schnell vorbei gerauschtes Jahr 2022 in ganz großen Schritten: Der Grand Münster Slam 2022 der Donots. Eigentlich als eintägige Veranstaltung geplant, mutierte die diesjährige Ausgabe aufgrund der schnell vergriffenen Tickets für die Samstagsveranstaltung zwischendurch zum Weekender, inklusive vieler und namenhafter Gäste.
Während Lucio, Oberhaupt dieses Fanzines, bereits am gestrigen Freitag in Münster weilte und sich den gut sechs Stunden andauernden Abend mit den Supportbands Schreng Schreng & La La, Akne Kid Joe, Sondaschule und dem großen Highlight der Donots-Show zu Gemüte führte, beginnt mein Samstagsausflug um 11:00 Uhr morgens. Dass wir uns vor Ort leider verpassen und er die Informationen für mich bewusst sparsam preisgibt, sind ganz kleine Dämpfer vorab. „Schreib mir später einfach mal wie dein Abend war“ lässt mich immerhin auf Überraschungen hoffen. Ich packe mir also fünf Alben der Donots, altmodisch auf CD, ins Handschuhfach und mache mich auf den etwa 170 km langen Weg ins Münsterland. Und auch wenn die erste Lektion beim Verfassen eines Konzertberichts besagt, unwichtige Informationen vom Drumherum wegzulassen, habe ich dennoch vor mir einen ausgiebig schönen Tag in Münster zu machen. Es ist nicht einmal 14:00 Uhr, als ich auf dem von den Donots ausgiebig besungenen Hansaring parke. Die Kurzversion von dem was bis zur Ankunft an der Halle Münsterland gegen 18:00 Uhr passiert: Glühwein, Cavete, Burger und Wegbier.
Die Traube an Menschen wird mit jedem Meter, den ich der Halle näher komme größer. Es ist mittlerweile dunkel geworden, gefühlt bitterkalt (ich bin natürlich ohne Jacke unterwegs, „sind ja nur 800 Meter vom Auto zur Halle“) und mir und vielen anderen Gästen wird die Glasflasche in der Hand zu kalt. Also ab durch die Kontrolle, Ticket scannen und rein ins Vergnügen. Es sind verschiedene Gründe, aus denen ich heute Abend den Weg auf den Rang wähle und finde einen Platz in Block E, dann leider doch etwa Dreiviertel der Hallenlänge von der Bühne weg. Zu diesem Zeitpunkt sind es noch dreieinhalb Stunden bis zum Beginn der Donots-Show.
Mein erster Eindruck, als ich meinen Platz eingenommen habe: SIND. DAS. VIELE. LEUTE! Der Innenraum ist bereits mehr als gut gefüllt und auch heute stehen Schreng Schreng & La La zu zweit auf der Bühne, spielen ihre mir gut bekannten Songs nur mit einer Akustikgitarre begleitet und reden unter anderem über den Heimweg in der letzten Nacht und die dort passierten Geschichten. Leider wirkt ein Großteil des Publikums eher desinteressiert und vertreibt sich die Zeit mit Unterhaltungen oder der Neubeschaffung von heute erstmals mit Motiven der Donots bedruckte und wieder aufgefüllten Pfandbechern. Dass vor der Bühne einige Gäste frenetisch mitgehen und den Jungs etwas Respekt entgegenbringen, freut mich wirklich für die Band. Richtig laut wird es dann, als Ingo Donot persönlich auf die Bühne springt, das heute Abend in der Spitze 6.500 Menschen zählende Publikum begrüßt und die Band Acht Eimer Hühnerherzen ankündigt. Mir dämmert es, dass ich ein Album der Band in der Vergangenheit per Zweitmeinung bewertet habe und damals nicht so recht begeistert war. Die „Nylonsaitenpunks“ können meine Meinung durch ihren Auftritt zum Glück etwas ins Positive verändern. Wer so aggressiv seinen Bass bearbeitet und seinen Sound gleichzeitig aus Akustikgitarre und weiblicher Gesangsstimme aufbaut, dem gehört für diese Kombination mindestens anständig Applaus spendiert. Und hier lässt Münster sich auch zweieinhalb Stunden vor dem Auftritt des Abends nicht lumpen.
Das Pendant zum gestrigen Auftritt von Sondaschule sind heute Montreal. Die Umbaupause ist durch Smalltalk mit meinem Platznachbar (lieben Gruß nach Hagen!) schnell verplaudert und wieder sind es die Donots, die es sich nicht nehmen lassen den Auftritt anzusagen. Montreal machen ehrlich gesagt genau das, was ich und die anderen LiebhaberInnen dieser drei Musiker von ihnen erwarten: Sie füllen gute 40 Minuten mit exakt den Songs, die man vorher prognostiziert hätte, reden mehr oder weniger sinnvollem Kram dazwischen und nehmen vor allem kein Blatt vor den Mund. Bereits jetzt drehen sich Circle Pits im Publikum, von denen manch andere Band nur träumen kann. Generell finde ich es auffällig, dass all diese Menschen in der Halle Münsterland unglaublich viel Lust auf diesen Abend zu haben scheinen. Egal wohin mein Auge blickt, es wird mitgemacht, gelacht, applaudiert und gefeiert. Da ich mich textsicher intensiv mit dem Auftritt beschäftige, geht auch dieser viel zu schnell vorüber. Es bleiben eineinhalb Stunden Zeit bis zu den Donots übrig.
Der nächste Auftritt ist der von Frank Turner & The Sleeping Souls, natürlich ebenfalls von den Donots auf der Bühne angekündigt. Ab jetzt ist das Programm in der Theorie gleich dem von gestern. Frank Turner eröffnet sein Set mit seinem Hit "Recovery", der mir ein "Ach deeeer!" entlockt. Über mangelnde Stimmung oder ausbleibende Zuneigung kann sich auch Frank nicht beklagen, Münster ist und bleibt von Beginn an voll da. Seine Ansagen macht Frank Turner heute ausnahmslos auf Deutsch. Das hat er, wie ich später von Lucio erfahre, am gestrigen Abend versprochen. Dass er diese Ansagen allesamt abliest kriegt im Publikum vor Lachen kaum jemand mit, zumindest bis zu dem Moment in dem er "I don't read this from a piece of paper, I swear" als einzigen englischen Satz des Abends murmelt. "Unsere Aufgabe ist es euch zum Tanzen zu machen" und "Wir brauchen eine große, große Kreis" kommen da durchaus besser an und verleihen dem Auftritt eine einzigartig lustige Note. Ihre Aufgabe die Leute in Münster auf das Highlight des Abends einzustimmen haben Frank Turner & The Sleeping Souls bestens erfüllt und auf einmal heißt es nicht einmal mehr eine Stunde warten bis zum Auftritt der Donots.
Was die Donots dann mit der Halle Münsterland anstellen habe ich bisher selten erlebt. In den meisten Fällen dreht die komplette Halle komplett am Zeiger, selbst die Ränge springen regelmäßig mit und jede kleine Mitmachaktion wird von allen Anwesenden durchgezogen. Auch wenn ich all das gerade nicht im verschwitzten Innenraum erlebe, ist der Blick von der Seite auf die abgehenden Massen ein mehr als kleiner Trost dafür. Die Donots haben sich Gedanken über diese beiden Abende gemacht, bringen zwischen den großen Hits natürlich die neuen Singles, haben Zaubershows eingeplant und Gastmusiker am Start. Im heutigen Fall erfüllen die Magier Siegfried und Joy Ingos Wunsch seine Band wieder auf die Bühne zu zaubern nicht so wirklich, stattdessen stehen Madsen auf einmal da oben und performen ihren Hit "Du schreibst Geschichte" sowie eine gemeinsame Aufführung des Ramones-Klassikers "Blitzkrieg Bop" mit den Donots. Gestern Abend waren es die Sportfreunde Stiller, denen dieser Spot gehörte.
Über allem steht pausenlos diese so intensiv spürbare Symbiose zwischen Band und Publikum. Die Leute rudern fleißig im Publikum, ausfallende Gitarren werden weggelacht und der laufende Song, falls es im Pit zu Stürzen kommt, abgebrochen. "Safety First", bei dem was hier passiert ein guter Gedanke. Die aus vergangenen Grand Münster Slams bekannten Knicklichter werden ("Save The Planet") durch Handylampen ersetzt und mit diesen Lampen wiederum eine Laola-Welle aufgezogen. Der nächste WOW-Moment, bevor es über ein spezielles "Schrei nach Liebe"-Cover langsam dem Ende der Show entgegen geht. Ein spezielles Cover ist die heute gezeigte Version deshalb, weil Bela B. im Gegensatz zu Vom Ritchie, Drummer der "Hosen", leider "keine Zeit" hat. Die Lösung: Drummer und Gastsängerin aus dem Publikum holen und ungeprobt ein recht stabiles, wenn auch nicht fehlerfreies Cover auf die Beine stellen. Als eigentlichen Abschied gibt es natürlich ein immer wieder in die Länge gezogenes "So Long", fast schon ein Klassiker für diese Stelle im Set. Doch heute Abend ist alles noch einmal ein bisschen anders. Ingo tritt mit Tränen in den Augen und nach tausendfachem Danke sagen noch einmal nach vorne und verkündet, diesen Abend nicht einfach so enden lassen zu wollen. Das Publikum macht noch einmal ein bisschen Platz, die Band legt sich in die Mitte auf den Hallenboden und dreht noch eine Runde extra durch Münster.
Unter dem Strich stehen für mich als ich die Stadt gegen 0:00 Uhr wieder verlasse beinahe sechs Stunden Halle Münsterland. Davon über zwei Stunden, die die Donots mit ihrer eigentlichen Show begeistern. Und auch wenn man sich bei mir an diese Aussage langsam gewöhnt: Hier muss ich nochmal hin!