War es im letzten Jahr noch Regen und Sturm, der die meisten Festivals in Atem hielt, sorgten Temperaturen über 30 Grad Celsius und wenig Wolken für ein anderes, extremes Festivalabenteuer. Durch die Lage auf einer Halbinsel ist der Platz für das Festival und Camping natürlich begrenzt und recht schlauchartig gestaltet. Schon kurz nach der Öffnung des Campinggeländes schienen die meisten Flächen belegt, denn die wenigsten Besucher nahmen den längeren Fußmarsch durch die Hitze zu den Campingplätzen in der Nähe des Infields auf, zumal sämtliche Utensilien für den Festivalbesuch vom Parkplatz geschleppt werden mussten. Unsere Gruppe konnte sich einen perfekten Platz direkt vor dem Infield sichern und nach Aufbau des Camps stellten wir sogar fest, dass vom Pavillon aus die größte Bühne des Festivals gut sicht- und hörbar war. Perfekt, um auch bei einer Pause nicht allzu viel zu verpassen.
Tag 1: Nachholebedarf
Nachdem wir die erste tropische Nacht im halboffenen Zelt überlebt hatten, konnten wir uns auf den ersten Tag freuen. Noch beim Frühstück witzelten wir, dass heute wohl eher kein Freitag wie vor einem Jahr zu erwarten ist. An besagtem Tag mussten diverse Auftritte, unter anderem von Billy Talent und Bosse, abgesagt werden. Beide Bands sind dieses Jahr erneut da, um ihren Auftritt nachzuholen und Erstgenannte spielten erneut an einem Freitag.
Leider dauerte es noch eine gefühlte Ewigkeit, eh um 16:30 Uhr mit Itchy die erste Band auf der Bühne stand. Die Sonnenanbeter unter den Festivalbesuchern verbrachten den Tag am Strand, während wir uns mit dem Schatten unter dem Pavillon drehten und das ein oder andere Kaltgetränk genossen. Pünktlich wie die Uhrmeister standen bereits eine große Menschenmenge vor der Green Stage, um den Opener zu sehen. Itchy ließen sich nicht lumpen und starteten gleich mit ihrem Hit „Why Still Bother“ aus alten Tagen. Die Band machte ihren Job als Opener mehr als gut und brachte die Meute mit einem Bestof-Programm und diversen Publikumsinteraktionen wie dem Gitarrenkoffer-Surfen in Stimmung.
Wenig später ging es nach einem Marsch über das Infield an der leicht versetzten Blue-Stage schon mit Radio Havanna weiter. Hatten wir zu Beginn noch viel Platz zum Tanzen, fanden nach ein paar Liedern plötzlich viele Leute von der anderen Bühne ebenfalls den etwas umständlichen Weg und es bildeten sich die ersten Moshpits. Auch die Wahlberliner zündeten einen Hit nach dem Anderen und nutzten die spärliche Playtime gut, um einen bleibenden Eindruck zu hinterlassen. Bandmaskottchen und Schauspieler Nicolas Dinkel kümmerte sich rührend mit Schnaps um die durstige Meute und ackerte auch als Superman, Flaggenhalter und Bengalo-Schwinger eifrig über die Bühne. Als erster Crowdsurfer hätte er sich nach den Regularien der Veranstaltung eigentlich schon einen 24 Stunden Bann vom Festivalgelände verdient, hier haben aber wohl die sehr entspannten Securities ein Auge zugedrückt. Ein insgesamt schon gelungener Start in das Festival.
Und wieder Regen
Und dann schlug das Freitagsgespenst zu. Während einer Pause auf dem Zeltplatz zog sich eine dicke Wolkendecke zu und auch die erste Unwetterwarnung vibrierte auf dem Handy um unsere Aufmerksamkeit. Nervöse Blicke auf den Regenradar folgten noch nervöseren Blicken in den Himmel, in dem sich nun die ersten Blitze zuckten. Wir entschieden zunächst auf dem Campground abzuwarten, während bereits das Intro „Foggy Dew“ von den Dropkick Murphys über die Boxen zu uns schallten. Nach Sicherungsmaßnahmen nahmen wir wie im Kino in mehreren Reihen unter dem Pavillon Platz, um der Band aus der Ferne zuzusehen. Während die Bostener ihr Programm eiskalt durchzogen, goss es nun in Strömen und auch eine große Menge an Besuchern in Ponchos nahmen die Beine in die Hand, um zu ihrem Zelt zu eilen. Mittlerweile kamen die Blitze und der Donner bedrohlich näher und wir wunderten uns, dass das Konzert fortgeführt worden ist. Zwischenzeitlich blendeten die Veranstalter über den Bildschirmen einen Schriftzug auf das Kamerabild der Band, um vor dem Unwetter zu warten. Wir stellten uns nun auch vor, wie sich wohl Billy Talent fühlen mussten, die schon im Backstage auf ihren eigenen Auftritt warteten. Sollte der Auftritt erneut ins Wasser fallen?
Pünktlich um Mitternacht hieß es Stagetime für den Headliner des Abends. Billy Talent traten auf und zockten ihr Programm munter runter. Einige von uns verließen das Pavillon-Kino, andere entschlossen sich, auch die letzte Band des Tages im Sitzen zu sehen. Billy Talent reißt nun zumindest den Autor dieses Textes nicht mehr von den Socken und ein Auftritt ist wie der Gleiche. Lediglich die zusätzliche Ansage über das Bangen im Backstage war eine Abwechslung zum herkömmlichen Programm. Etwas Gutes hatte das abendliche Unwetter: Es sollte am nächsten Tag deutlich kühler und auch die Nacht angenehmer werden.
Tag 2: Auf Regen folgt Sonnenschein
Wesentlich erholter ging es in den zweiten Tag des Bühnenprogramms. Das war auch gut so, denn an diesem Tag stand ein regelrechter Marathon auf dem Plan. Nach dem gestrigen Schock, dass Bad Religion nicht spielen werden, freuten wir uns alle über den hochkarätigen Auswechsler von der Bank: Die unermüdlichen Donots.
Los ging der Tag allerdings mit 8kids, die sich alle Mühe gaben, aber es mit ihrem Mix aus Post-Hardcore und Alternative durchaus einen schweren Stand hatten. Wesentlich besser zündeten die Redaktionslieblinge FJØRT mit ihren Songs. Auch ohne Publikumsanimation entwickelte sich sofort eine gute Band-Publikum-Beziehung und schon wirbelte auch der Staub durch die diversen Circle Pits bei Hits wie „Kontakt“, „Anthrazit“ oder „Couleur“.
Den Nachmittagsslot der Greenstage bekam die Sondaschule zugewiesen, vor deren Bühne es nun enorm voll wurde. Bei Traumwetter tanzten fast alle Besucher bei den Ska-Punk-Klängen und bis auf den neuen Song „RIP Audio“ konnte die Setlist auch voll überzeugen.
Ein ebenfalls viel zu kurzen Timeslot bekamen Kettcar, die mit ihrer Musik einen Kontrast zur vorher genannten Band auf der Bühne darstellten. Deutlich ruhiger und nachdenklicher überzeugte die Band um Marcus Wiebusch mit einem guten Mix aus alten Songs und neuen Stücken der aktuellen Platte. Auch die Produktion konnte sich mit sieben hochformatigen Displays, die jeweils passende Musikvideos zu diversen Songs anzeigten, sehen lassen.
Die Donots und ihr bestes Konzerterlebnis
Ursprünglich sollten nun Bad Religion folgen, die allerdings die letzten zwei Konzerte in Europa aus privaten Gründen absagen mussten. Dafür machten sich die Donots per Zug mangels eines freien Nightliner auf den Weg in die Leipziger Neuseenplatte zum Festival, um den Slot zu übernehmen. Dass die Donots eine sehr gute Liveband sind ist nun kein Geheimnis. Gibt man zu dieser Zutat noch 35.000 topmotivierte Festivalbesucher dazu und garniert die Mischung mit einer Setliste, angereichert mit musikalischen Gästen, entsteht ein außergewöhnliches und wohl bekömmliches Konzerterlebnis, welches die Band so beschreibt:
„Liebes Highfield Festival... das heute, das war ein ganz besonderer Tag. Uns fehlen noch immer die Worte, für das, was da heute mit euch und uns passiert ist. Vorgestern wussten wir noch nicht mal, dass wir auf dem Highfield spielen würden... und heute habt ihr uns Fünf sowas von unfassbar glücklich gemacht, dass wir nach diesen allesallesalles wegballernden 60 Minuten nur grinsend und heulend vor euch stehen konnten. Umwerfend und einfach nur wunderschön, dass wir das mit euch erleben durften. Der 18.08.18 wird ab jetzt für immer in unserem Kalender angekreuzt bleiben und als ein ganz besonderer Tag in 25 Jahren DONOTS in die Bandgeschichte eingehen. Danke, dass wir da sein durften, um euch den Hintern zu versohlen. Danke, dass ihr da wart und uns die Hintern zurück versohlt habt. Wir sehen uns hoffentlich auf Tour wieder. In Leipzig. Oder Jena. Oder kommt uns doch mal in Münster besuchen, wir stellen schonmal das Bier für euch kalt. HU-HA!
Eure DONOTS (Facebook)"
Doch der Reihe nach: Mit „Ich mach nicht mehr mit“ und „Keiner kommt hier lebend raus“ gefolgt von „Wake the Dogs“ ging das Set gleich mit Vollgas los. Eine feine Geste folgte wenig später: Mit „Do What You Want“ fand ein Bad Religion Song auf die Setlist, welcher laut Band auf der Zugfahrt im Ruheabteil einstudiert worden ist. Kurz danach gab es bei „Kaputt“ den ersten Gastauftritt. Die Antilopen Gang, die kurz vorher auf der anderen Bühne gespielt hatten und sich Ingo Donot für ein Intermezzo eingeladen hatten, gaben nun ihrerseits Unterstützung mit einer kurzerhand eingeprobten Rap-lastigeren Version des Songs.
Kurz vorm Rausschmeißer kam dann bei „Problem kein Problem“ noch Nathan Maxwell von den Flogging Mollys dazu. Was dann beim letzten Lied „So Long“ geschah, kann man eigentlich nur mit Gänsehaut-Feeling beschreiben. Die Meute wollten die Donots gar nicht von der Bühne lassen und wechselten zwischen Donots-Shouts und „So Long“ Gesängen hin und her. Merklich gerührt und mit feuchten Augen musste die Band dann aber die Bühne räumen, denn nicht viel später sollten dann noch Flogging Molly spielen.
Die Folkpunker Flogging Molly aus Irland waren sichtlich in bester Laune und schenkten dem Publikum neben ihren Klassikern und neuen Songs auch eine Menge Dosen Guiness, da sie es als ihre irische Pflicht ansahen, dem aus ihrer Sicht ungenießbaren Becks Paroli zu bieten.
Die Broilers als Headliner des zweiten Tages war sicherlich eine solide und gute Wahl. Ein gutes Set mit allerlei Effekten konnte überzeugen, nur merkte man der Band nun sichtlich die Müdigkeit der langen Konzerttour an. Dazu gesellte sich eine gewisse Nervosität bei Sänger Sammy, der deutlich mehr erzählte und wohl auch durch die Erzählungen der Düsseldorfer Kollegen den Druck spürte, hier noch einen drauf zu legen.
Tag 3: Wieder Hitze
Der dritte Tag, ein wieder sehr heißer Sonntag, bot noch einmal einige Highlights. Insbesondere Adam Angst als auch ZSK standen dick markiert auf dem Zettel. Vorher jedoch eröffneten die Alex Mofa Gang den Tag, die ebenfalls zunächst einen schweren Stand hatten, das müde Publikum zum Tanzen zu bewegen. Dennoch fand sich ein harter Kern an Fans ein, um zumindest ein wenig Stimmung zu machen.
Einen komplett anderen Auftritt legten dafür Adam Angst hin. Proppevoll war es nun in der ersten Zone und das Publikum tanzte zu den alten Hits wie „Professoren“ als auch neuen Songs vom kommenden Album „Neintology“. Die Band überzeugte mit viel Selbstironie, scharfen Ansagen und schnellem Punk. Da darf man sich auf die Herbsttour freuen.
Die letzte Band des Festivals für uns waren ZSK, denn berufsbedingt ging es am späten Nachmittag bereits nach Hause. Die Band reiste mit Ersatzbassisten an und versammelte ein ebenso großes Publikum wie Adam Angst vor der Bühne. Leider waren die Berliner mit allerlei technischen Problemen bestraft, was möglicherweise an defektem Monitoring lag. Es war ein recht schleppender Auftritt, den die Punker noch mit viel Einsatz und Interaktion versuchten, wieder wett zumachen. Insbesondere das Zusammenspiel zwischen Joshi und Neu-Gitarristen Ace klappte gut. Weniger gut war dann der Song „Punkverrat“, der ausgerechnet auch noch das Highlight mit Konfettikanone in der Setliste darstellen sollte. Technische Probleme hier, ein Texthänger da trübten dann doch die Laune.
Unser Fazit
Musikalisch kann man über das Festival eigentlich kaum schlechte Worte verlieren. Auch merkt man, dass sich die Organisatoren abseits der musikalischen Komponente Mühe geben, den Zeitgeist zu erfassen. Mit einer Awareness-Initiative „Wo geht‘s nach Panama“, bei er sich Menschen mit dem Satz schutzsuchend bei sexueller Gewalt oder Belästigung bei sämtlichen Ordner, Ständen und Personal melden können, geht man in eine gute Richtung und auch die Beschilderung auf dem Festivalgelände war vorbildlich. Nur auf dem Campground sollte dies noch prominenter vertreten sein. Auch das Thema „Green“ geht das Festival an und gibt Tipps zur Vermeidung von Plastik wie beispielsweise Strohhalme aus Makkaroni als Alternative zu Plastik. Leider verhallt so etwas dann doch, wenn die Partner im Food-Bereich auf die Plastikstrohhalme setzen, anstatt Alternativen zu bieten.
Kritik gab es in unserem Umfeld und auf Facebook bei mehreren Positionen. Die Dusch-/ und Sanitäreinrichtungen waren nicht ausreichend vorhanden, genauso verhielt es sich mit der Campingfläche. Hier wären wohl mehr Einweiser hilfreich, die über freie Flächen informieren.
Größter Kritikpunkt allerdings betrifft den Bereich vor der Green-Stage. Gerade vor dem ersten Wellenbrecher lagen großteilige Schottersteine, teils faustgroß, die ein längeres Stehen geschweige denn tanzen zur Gefahr machten. Am dritten Tag konnte man eine Menge Menschen mit bandagierten Knien und Knöcheln sowie aufgeschürften Beinen und Armen erblicken. Hier muss unbedingt durch Maßnahmen nachgebessert werden.