Eine sehr spontan geplante Rundreise ins Conne Island zu Leipzig lässt mich nun viel zu früh im genannten Club stehen und auf eine Hardcoreband warten, die nun schon länger in meiner Musikbibliothek rumschwirrt. Die Hardcore-Supergroup Be Well laden nämlich zum gemütlichen Tanztee nach Connewitz ein und bringen ganz nebenbei mit Hard Strike und Giver noch zwei ebenso härtetechnische Granaten mit. Jedoch habe ich mir diesmal kein Hostel gebucht und plane, mit dem letzten Zug zurückzufahren und am liebsten das gesamte Konzert sehen zu können, der Abend hat also auch auf anderer Seite noch eine gewisse Spannung bei sich.
Hard Strike
Zu früh im Conne Island ankommen ist dabei nicht schlimm, es hat 17 Grad in Leipzig. Also tut es eine kalte Cola auf dem Hof der Venue auch mal, wenn man noch knappe 90 Minuten warten muss, da es eine Verschiebung des Starts um eine halbe Stunde gab. Den Anfang machen dann pünktlich um 19:30 aber Hard Strike. Die internationale Hardcoreband spielt sehr klassisch in der Riege von Bands wie Terror und First Blood und füllt den Bereich vor der Bühne sehr schnell, jedoch ist der Sound nicht unbedingt auf ihrer Seite, die Shouts sind schwer zu verstehen, im Gegensatz zu den Instrumenten. Auch wird das Publikum eher weniger mit der Band warm. Für mich ist das alles okay, es ist nicht unbedingt meine Musik, aber jetzt auch nichts, was ich in irgendeiner Art schlecht finde.
Giver
Auf Giver habe ich mich allerdings sehr gefreut. Diese haben 2021 mit „Nieder“ ein dermaßen hartes Singlebrett herausgebracht, dass es wohl sehr interessant werden sollte. Und dem ist auch so. Kompaktes Set trifft auf wahnsinnige Energie und sehr diffuses Licht, als Giver die Bühne betreten. Die Crowd taut nun etwas auf, lässt sich allerdings noch nicht zu einem Pit „herab“. Giver ballern ihnen trotzdem unbarmherzig ihren Hardcore um die Ohren und spielen neben dem bereits genannten „Nieder“ eine gute Auswahl ihrer bisher veröffentlichten Songs. Gefällt sehr.
Be Well
Be Well brauchen dann nicht lang für Umbau und den Beginn ihres Sets. Kurze Begrüßung, dann nimmt der Wahnsinn seinen Lauf. Eine knappe Stunde für Hits wie „Hello Sun“, „I will leave you with this“ oder „Meaningless Meassures“, dazu zwei Cover Songs, der erste von der Band Battery, die ehemalige Hardcore Gruppe von Leadsänger Brian McTernan und ein zweiter ganz am Schluss.
Leider war es mir akustisch nicht möglich, die Titel zu verstehen. Denn auch hier gilt weiterhin, dass der Sound besser sein könnte. Dies würde ich eigentlich auch vom Publikum behaupten, jedoch sind diese erstens auch schon zu großen Teilen etwas älter und zweitens tauen sie vor allem bei den Covern und den letzten 15 Minuten mehr als auf und fangen an, dieses Feeling zu versprühen, welches eine klassische Hardcore Show eben hat. Stagedives, am Micro mit rumbrüllen, tanzen, springen, durchdrehen.
Noch dazu hat irgendjemand im Conne Island Regionalzeitungen kleingerissen und wirft diese seit Giver durch die Venue, was sie zu übergroßem Konfetti werden lässt. Das Chaos ist absolut wunderbar und auch so unfassbar respektvoll. Mittlerweile treibe ich mich ja auf wirklich vielen Hardcore Shows rum und rege mich recht oft über einige Menschen auf, welche unbedingt Stunk machen wollen, Leute in Pits ziehen oder sich dazu erdreisten Menschen ins Gesicht zu springen, die augenscheinlich kein Teil des Pits sein wollen. Hier ist dem nicht so.
Trotz der Tatsache, dass es wie ein gängiges Hardcore Konzert wirkt, passen weiterhin alle aufeinander auf, es wird nur in Gesichter getreten, die auch getreten werden wollen und man springt vor allem in vorbereitete Mengen, warum kann es nicht immer so sein? Am positivsten aber sind die Ansagen, im Kern sind das die normalen „Schön, dass ihr hier seid“, „Hat lange gedauert“, xy-Ansagen aber immer wieder spricht McTernan von privaten Problemen seiner Familie und dem persönlichen Kampf mit sich selbst, teilweise so tief in diesem, dass er hart mit den Tränen ringt. Das beeindruckt mich immer wieder sehr.
Am Ende erreichte ich kurz vor knapp den letzten Zug nach Hause. Euphorisiert und glücklich fahre ich also durch die Nacht zurück nach Dresden und habe genug Zeit zum nachdenken. Auch wenn nicht alles perfekt war, der Sound semi, das Publikum teilweise doch etwas länger zum Auftauen brauchte und im Hintergrund der Zeitdruck vorherrschte, hatte ich wahnsinnig viel Spaß mit diesem Hardcore Package in extra Large. Be Well sind eine Ausnahme-Band, obwohl sie sich weniger so anhören und wirken, zeigen sie durch äußerst emotionale Ansagen inklusive Tränen des Frontmanns und einer langen Umarmung mit seinem Bruder danach, Energie und eher unkonventionelle Hardcore, dass dieses Genre es immer wieder schafft ein familiäres Wohlgefühl (in mir) auszulösen, egal wie sehr ich in dieser Szene und den Konzerten investiert bin oder eben nicht. Und das ist einfach wunderbar