Beim Titel "Unangenehme Musik" war ich schnell Feuer und Flamme, denn ich glaube tatsächlich, dass es genau diese Art von Musik ist, die bei mir die stärksten Emotionen hervorrufen kann. Da können andere Songs noch so wunderschön sein, Schmerz oder Unbehagen sind einfach die viel krasseren Gefühle. Ich bin in meinem Kopf einiges durchgegangen, was in diese Kategorie fallen könnte. Barbarischer Noise? Nervenaufreibender Post-Punk? Atonale Avantgarde? Schließlich bin ich aber darauf gekommen, dass es hier eigentlich nur einen Song geben kann, wenn es um maximales Unbehagen geht. Hier geht es nicht um klanglich Unbequemes, sondern um pure emotionale Gewalt. Zu Oathbreakers "Second Son Of R" habe ich ein etwas merkwürdiges Verhältnis: Ich liebe diesen Song, aber mache ihn trotzdem höchstens einmal im Jahr an, weil ich mir dabei stets bewusst bin, dass mein Tag danach gelaufen ist. In diesem Song wurde eine traumatische Erfahrung so derartig brutal und nahbar vertont, dass man beim Hören kaum anders kann, als sich zu fühlen, als würde man es selbst erleben. Besonders in Kombination mit dem dazugehörigen Intro "10:56" entfaltet dieses Werk eine Emotionsgewalt, die ihresgleichen sucht. Eine A-Capella-Passage peitscht gegen unfassbar schmerzhaftes Black-Metal-Gedonner, immer wieder senkt und hebt sich der Song zu dramaturgischen Hoch- und Tiefpunkten und spiegelt so die komplexe Verarbeitung eines schrecklichen Erlebnisses wieder - ein Prozess, der nie nur in eine Richtung geht. Wirklich schlimm zu hören wird dieser Song für mich aber erst durch sein berstendes Finale. Wer Black Metal oder Metal-Musik generell kennt, ist die bestialischsten Schreie gewohnt. Aber dennoch handelt es sich dabei ja stets um stilisierte Gutturalität, die ganz anders klingt, als wenn jemand im echten Leben brüllen würde. Diese Regel brechen Oathbreaker hier schlussendlich. Sängerin Caro Tanghe schreit plötzlich derartig einnehmend textlos ins Mikrofon, dass man kaum anders kann als zu denken, man würde gerade dem echten Todeskampf eines Menschen lauschen. Ich höre hier den vielleicht realsten musikalischen Moment, den ich je bezeugen durfte. Dass ich trotz meiner vorhersehbaren Depressivität nach diesem Song doch immer wieder zu ihm zurückkehre, lässt mich denken: Großartige Musik hat manchmal einen hohen Preis.
Weitere Anspieltipps: Daughters - "Guest House", Swans - "Just A Little Boy"