Die grundsätzliche Situation für einen kulturellen Austausch verschiedenster Art wäre eigentlich gegeben – aber die Restriktion weniger Mächtiger verhinderte jahrzehntelang eine öffentliche, kreative Entwicklung. „Bei uns haben auch immer viele Menschen aus dem Ausland gearbeitet“, erklärt Fawaz weiter. „Egal, wie hart die Regierung versucht hat, die ‚Kultur zu bewahren‘, Saudi-Arabien war immer eine Art Schmelztiegel. Verglichen mit den anderen Golfstaaten gibt es wenig Länder, die so viel von populärer Kultur beeinflusst sind. In Katar zum Beispiel dominieren quasi nur Menschen ab der gehobenen Mittelschicht. Diese Leute werden deswegen auch nur mit einer gewissen Art von Menschen sozialisiert. Ich kann mit diesen Leuten kaum reden, wir haben einfach nichts gemeinsam.“
Die Diskrepanz zwischen einer unter der Oberfläche lauernden kulturellen Vielfalt und deren Unterbindung durch die Regierung bekommt Fawaz vor allem zu spüren, als er selbst beginnt, sich für alternative Kultur zu interessieren. „Es begann alles 2001“, erklärt er seine eigene Sozialisation mit harter Gitarrenmusik. „Durch den Microsoft Chat habe ich einen Typen kennengelernt, der von Bands wie Sonic Youth, Nirvana oder Nada Surf begeistert war. Er mochte auch eher ungewöhnliche Acts wie The Jesus Lizard. Ich kam außerdem gerade aus den USA und habe dort Bands wie Korn oder die Deftones kennengelernt. Für mich war alles, was mit Rock und Metal zu tun hatte, unglaublich. Ich habe alles aufgesogen, was ich bekommen konnte. Dadurch lernte ich neue Leute kennen und es begann, eine Gemeinschaft zu wachsen.“
Über das Internet treffen viele Gleichgesinnte aufeinander, in einem Online-Forum bildet sich eine Szene. Bereits 2002 gründet Fawaz so mit zwei Mitstreitern Creative Waste. Die Band spielt Grindcore und organisiert entgegen aller Restriktionen auch Shows. Sein erstes öffentliches Konzert spielt das Trio 2005. Weil das offiziell nicht erlaubt ist, versuchen Creative Waste, die Machthaber möglichst wenig zu provozieren und vermeiden jeden Gesetzesbruch. Frauen und Männer sind räumlich getrennt. Die Band verlangt keinen Eintritt, wodurch die Veranstaltung keinen kommerziellen Charakter bekommt. Der Versuch geht gut und die Band veranstaltet von nun an regelmäßig Shows im Untergrund, die einen festen Publikumskreis anlocken.
Creative Waste sind in dieser Zeit maßgeblich dafür mitverantwortlich, dass die Metal-Szene in Saudi-Arabien trotz aller Verbote wächst. Schon 2006 zieht sich die Band aus dem organisatorischen Teil der Shows zurück, weil die Sache immer größer wird. Neue Akteure veranstalten Konzerte, bei denen Creative Waste regelmäßig zu Gast sind. Doch die steigenden Dimensionen der Shows sorgen auch für dramatische Entwicklungen. „Diese Menschen veranstalteten Konzerte nicht so wie wir“, erinnert sich Fawaz zurück. „Männer und Frauen durften sich im selben Raum aufhalten, sie nahmen Eintritt. Wir wussten, dass das ein schlechtes Zeichen war.“ Immer wieder hört Fawaz in dieser Zeit von kleineren Rückschlägen und einer erhöhten Aufmerksamkeit durch das Kulturministerium, zur Katastrophe kommt es aber erst im Jahr 2009. „Wir waren zu einer Show eingeladen und ich sagte, dass wir die nicht spielen würden, weil ich ahnte, dass der Abend in einem Desaster enden würde. Ich sollte recht behalten. Die zwei Organisatoren wurden festgenommen. Der eine war kein saudischer Bürger, er wurde zurück in sein Heimatland abgeschoben. Der andere wurde zu einem Jahr Gefängnis verurteilt, er kam nach acht Monaten wieder frei. Zehn Jahre lang hat sich danach niemand mehr getraut, eine Rock- oder Metal-Show zu veranstalten.“